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Fibromyalgie behandeln – aber wie?
Fibromyalgie bleibt vorerst eine rätselhafte Erkrankung: Die Liste der Symptome erscheint endlos, zur Ursache und den Mechanismen der Krankheit gibt es einige Theorien, aber keine gesicherten Erkenntnisse.
Das hat zum einen die Verunsicherung von Ärzten und Patienten zur Folge. Unter Ärzten herrscht oft Unwissenheit hinsichtlich Fibromyalgie. Selbst wenn Ärzte über die Krankheit informiert sind, zögern sie oft, die Diagnose zu stellen, denn es gibt keine objektive Möglichkeit (zum Beispiel einen Blutwert), die Diagnose zu bestätigen.
Die Patienten hingegen sind verunsichert, weil sie typischerweise schon eine ganze Ärzte-Odyssee hinter sich haben und jeder Arzt ihnen etwas anderes gesagt hat. Sie können ihre eigene Krankheit nicht verstehen (was der erste Schritt bei der Bewältigung wäre), weil niemand bisher Fibromyalgie umfassend versteht.
Zum anderen erschwert unser geringes und lückenhaftes Wissen über Fibromyalgie natürlich auch das Finden von geeigneten Behandlungen. Bisher ist die Krankheit deswegen auch nicht heilbar. Der Fokus liegt stattdessen auf Schmerztherapie und Verbesserung der Lebensqualität.
Multimodale Schmerztherapie
Das Hauptsymptom von Fibromyalgie sind chronische Schmerzen in verschiedenen Körperregionen, typischerweise Brust, Rücken und die Gelenke von Armen oder Beinen. Dabei können zum Einen Reize als schmerzhaft wahrgenommen werden, die es normalerweise nicht sind, zum Beispiel leichte Berührungen. Das bezeichnet man als Allodynie. Außerdem können schmerzhafte Reize verstärkt wahrgenommen werden (Hyperalgesie).
Bei chronischen Schmerzen ist meist eine multimodale Therapie am wirksamsten. Dabei werden, individuell auf den Patienten abgestimmt, mehrere Mittel zur Schmerzbehandlung kombiniert. Das umfasst die folgenden Bereiche:
- Medikamente
- Psychotherapie
- Physiotherapie & Bewegung
- Physikalische Maßnahmen
- Entspannung
Im Folgenden erläutern wir Ihnen, welche Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen bei Fibromyalgie angewendet werden. Dabei wird zunächst einmal das Hauptsymptom, nämlich die Schmerzen behandelt. Etwaige andere Symptome werden dann, wenn nötig, gesondert behandelt.
Medikamente
Die Medikamentengruppe, die am häufigsten bei Fibromyalgie eingesetzt wird und die größte Wirkung zeigt, sind die Antidepressiva. Hierbei wird vor allem Amitriptylin benutzt.
Dafür muss die betroffene Person nicht unbedingt Depressionen haben (obwohl Fibromyalgie oft mit Depressionen einhergeht), Antidepressiva werden auch für andere Indikationen eingesetzt. Amitriptylin zum Beispiel ist auch bei der Migränevorbeugung oder gegen einen Reizdarm wirksam.
Zudem wird Amitriptylin bei Fibromyalgie in viel geringeren Dosen als bei einer Depression eingesetzt. Das Medikament wirkt bei Fibromyalgie schmerzlindernd und hat den Vorteil, dass es auch entspannt und den Schlaf verbessert. Es ist eines der wenigen Schlafmittel, die nicht abhängig machen.
Amitriptylin bewirkt, dass im Gehirn in den Synapsen (der Übergang zwischen zwei Nervenzellen), genau genommen im synaptischen Spalt (die kleine Lücke zwischen zwei Nervenzellen) die Serotoninmenge erhöht wird. Das macht es, indem es die Wiederaufnahme von Serotonin in die Nervenzellen hemmt. Serotonin ist ein Botenstoff, der eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalen zwischen Nerven spielt. Einige Theorien zu Fibromyalgie vermuten, dass bei der Erkrankung ein verringerter Serotoninspiegel besteht.
Antidepressiva wie Amitriptylin haben sehr viele Nebenwirkungen, sie führen zum Beispiel häufig zu Kopfschmerzen, Müdigkeit, Herzkreislaufproblemen, trockenem Mund, Verstopfung, Gewichtszunahme, Zittern und Schwitzen. Durch die geringere Dosis werden allerdings auch die Nebenwirkungen abgeschwächt.
Ein weiteres Medikament, dass bei Fibromyalgie eingesetzt wird, ist Tropisetron. Eigentlich handelt es sich dabei um ein Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen, es wird aber vermehrt und erfolgreich auch bei Fibromyalgie und rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Der Vorteil von Tropisetron ist, dass es deutlich weniger Nebenwirkungen als ein Antidepressivum hat. Allerdings gibt es bisher nur Ergebnisse zur kurzfristigen Anwendung (5-10 Tage) von Tropisetron.
Herkömmliche Schmerzmittel werden in der Behandlung von Fibromyalgie möglichst vermieden oder nur bei einem akuten Schmerzanfall eingesetzt. Das liegt daran, das es bei einer dauerhaften Therapie mit starken Schmerzmitteln zu einer Abhängigkeit kommen kann: Das bedeutet, das mit der Zeit immer stärkere Dosen benötigt werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen – das nennt sich Toleranzerhöhung. Zudem kommt es nach dem Absetzen des Mittels zu Entzugserscheinungen und möglicherweise zu einer Verschlimmerung der Symptome.
Wenn herkömmliche Schmerzmittel eingesetzt werden, wird als leichtes Schmerzmittel meist Paracetamol gegeben und in schweren Fällen Tramadol, ein Opioid. Antientzündliche Mittel wie Aspirin oder Ibuprofen wirken bei Fibromyalgie nicht, da keine Entzündung vorliegt.
Psychotherapie
Das bei der Behandlung von Fibromyalgie auch auf psychotherapeutische Maßnahmen zurückgegriffen wird, verunsichert viele Patienten, vor allem wenn sie vor der Diagnose womöglich schon als Hypochonder abgestempelt wurden oder ihr Leiden als psychosomatisch bezeichnet wurde.
Die Psychotherapie bedeutet aber keineswegs, dass die Ärzte denken, Menschen mit Fibromyalgie würden sich ihr Leiden einbilden oder dergleichen. Es handelt sich stattdessen um ein anerkanntes Mittel bei chronisches Schmerzen. In Einzelsitzungen oder Gruppentreffen mit anderen Patienten geht es darum, wie die Betroffenen im Alltag mit den Schmerzen umgehen können.
Dabei liegt ein starker Fokus darauf, bestimmtes Vermeidungsverhalten zu erkennen und abzulegen. Denn oftmals führt chronischer Schmerz dazu, dass man Bewegung und soziale Aktivitäten meidet. Bewegungsmangel und Isoliation führen aber langfristig zu einer Verschlimmerung der Symptome.
Patienten und Therapeuten suchen daher gemeinsam nach Lösungen, mit denen die Patienten trotz Fibromyalgie und ihrer individuellen Symptome ein erfüllendes Leben führen können. Die Betroffenen lernen dabei Verhalten und Maßnahmen, die sie anwenden können. Das Prinzip ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ steht also im Vordergrund.
Da Stress und Überbelastung die Symptome verschlimmern, liegt ein weiterer Schwerpunkt darauf, Stress zu erkennen und zu bewältigen.
Manchmal wird auch mit Hypnosetherapie gearbeitet. Dabei wird vor allem die Entspannung der Betroffenen angestrebt.
Physiotherapie & Bewegung
Bewegungsmangel führt zu Muskelabbau und zu schwächeren Gelenken und Sehen. Das verstärkt den Fibromyalgie-Schmerz, gerade in den Gelenken. Daher ist ausreichende Bewegung von größter Wichtigkeit für Personen mit Fibromyalgie. Wichtig ist hier, das ein schonender Sport gefunden wird, bei dem die Leistung langsam gesteigert werden kann und bei dem die Betroffenen verhältnismäßig wenig Schmerzen empfinden.
Empfehlenswerte Sportarten sind Schwimmen (generell Sportarten im Wasser, etwa Aquajogging), Walken oder Spazierengehen und Radfahren. Diese Sportarten sind gelenkschonend und können langsam gesteigert werden. Es ist besonders darauf zu achten, dass regelmäßig (am besten täglich) Bewegung gesucht wird.
Sportarten, die große Kraftanstrengung und rapide Geschwindigkeits- und Richtungswechsel erfordern, können problematisch sein, so wie Kraftraining, Tennis und Fußball.
Ergänzt werden kann die Bewegung durch Krankengymnastik. Dabei geht es vor allem darum, die Sehnen und Muskeln schonend zu lockern und zu stärken. Den Patienten werden hierfür von einem Physiotherapeuten Übungen gezeigt, die sie dann auch zuhause durchführen können. Denn auch bei den gymnastischen Übungen ist die regelmäßige, tägliche Durchführung zentral.
Um die eigenen Fortschritte zu protokollieren und zu kontrollieren, ist es sinnvoll, ein Bewegungstagebuch zu führen. Hier können auch Symptome notiert werden, so dass leicht erkennbar ist, wenn bestimmte Übungen zu einer Verschlimmerung führen oder wenn eine Überbelastung vorliegt.
Physikalische Maßnahmen
Zu den verschiedenen physikalischen Maßnahmen fehlen bisher leider noch einschlägige Studienergebnisse. Die Wirkung scheint außerdem individuell sehr verschieden zu sein. Daher ist es hier am Sinnvollsten, wenn die Patienten selbst vorsichtig ausprobieren, was ihnen gut tut. Zumal es hier nicht zu schlimmen Nebenwirkungen kommen kann, höchsten zu einer kurzfristigen Verschlechterung der Symptome.
Vor allem Wärme und warmes Wasser scheint vielen Betroffenen zu helfen. Das kann zu Hause über warme Bäder, warme Duschen, Wärmflasche, Kirschkernkissen oder Infrarotlampe erreicht werden. Außerdem bieten sich Besuche im Thermalbad oder der Sauna an.
Bei einer geringeren Anzahl der Patienten wirkt Kälte schmerzstillend. Wenn Wärme nicht hilft, kann man es also auch mit Kühlpacks oder ähnlichem versuchen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Schlammtherapie, zum Beispiel durch Fangopackungen oder Moorbäder.
Auch Massagen helfen manchen Menschen mit Fibromyalgie, andere empfinden sie als eher unangenehm. Bei der Lymphdrainage wird mit den Händen und verschiedenen Grifftechniken Druck (vor allem an Armen und Beinen) ausgeübt. Sie wird von speziell augebildeten Massagetherapeuten durchgeführt. Auch hier werden mitunter Erfolge bei Fibromyalgie erzielt.
Schließlich gibt es noch eine ganze Reihe von weiteren physikalischen Praktiken, bei denen es keine Studien zum Erfolg gibt und die daher jeder Patient für sich ausprobieren kann, beispielsweise Methoden der Chirotherapie und Ostheotherapie.
Entspannung
Da Anspannung und Stress die Symptome verschlimmern, ist es für die Betroffenen wichtig, Entspannungsmethoden zur Hand zu haben.
Einige der oben genannten physikalischen Methoden helfen nicht nur der körperlichen, sondern auch der geistigen Entspannung, zum Beispiel warme Bäder und Massagen.
Die fernöstlichen Praktiken Yoga (Indien), Tai-Chi (China) und Quigong (ebenfalls China) fallen eigentlich sowohl in den Bereich Bewegung als auch Entspannung. Ihnen ist gemeinsam, dass sie neben dem Element von Bewegung, Dehnung und Halten von bestimmten Positionen auch Entspannungstechniken betonen. Dabei handelt es sich vor allem um ein meditatives Fokussieren auf Atemtechniken und ‚Energieflüsse‘ im Körper. Vorteilhaft für Menschen mit Fibromyalgie ist, dass es Bewegungen und Positionen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden gibt, sodass sie klein anfangen können.
Auch autogenes Training hat sich bei Fibromyalgie bewährt. Dabei konzentriert man sich in verschiedenen Übungen auf unterschiedliche Körperbereiche und -funktionen (etwa Herz, Bauch oder Stirn). Wird dadurch die gewünschte Entspannung erreicht, versucht man in einem nächsten Schritt das eigene Verhalten durch Autosuggestion zu modulieren.
Die progressive Muskelentspannung konzentriert man sich vor allem auf das willentliche Anspannen und Entspannen von verschiedenen Muskeln und führt auf diese Weise eine Entspannung von Körper und Geist herbei.
Auch Meditation in verschiedensten Formen, etwa die japanische Zen-Meditation, ist ein guter Weg zur Entspannung.
Ernährung
Es gibt mehrere Studien, die eine deutlichere Verbesserung der Symptome bei veganer Ernährung gefunden haben. Die besten Ergebnisse erzielte dabei vegane Rohkost. Vegetarische Ernährung hingegen führte nur in manchen Studien zu einer Besserung, in anderen zeigte sich jedoch kein Effekt.
Auch wenn hier umfangreichere Studien wünschenswert wären, lohnt es sich in jedem Fall, eine Ernährungsumstellung auszuprobieren. Da sich deren Effekte oft nur verzögert zeigen, sollte man ein wenig Geduld haben und die Kost mindestens 6 Wochen durchhalten.
Fazit
Da Fibromyalgie nicht heilbar ist und sich die Patienten ihr Leben lang damit arrangieren müssen, sollte bei der Behandlung auf Eigenständigkeit geachtet werden und darauf, dass die Behandlung langfristig angewendet werden kann. Beispielsweise sind krankengymnastische Übungen, die die Person allein zu Hause durchführen kann, den Übungen vorzuziehen, für die es die Hilfe eines Therapeuten braucht.
Auch bei der Medikation ist es wichtig, dass die Mittel langfristig ohne Folgeschäden angewendet werden können. Zudem ist es sinnvoll, die Medikation durch weitere Behandlungsmöglichkeiten zu ergänzen.