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Mit homöopathischen Mitteln gegen den Tinnitus?
Für viele Betroffene entwickelt sich ein Tinnitus zu einem echten und dauerhaften Problem. In einigen Fällen kann ein akuter Tinnitus zwar schnell nach dem Auftauchen behandelt und geheilt werden, oft entwickelt sich daraus aber auch ein chronischer Tinnitus, bei dem die Medizin momentan noch recht hilflos ist.
Zu wenig weiß man über die Gründe für das Entstehen eines solchen Leidens und zu wenig wurden bisher die Heilmethoden erforscht. Meistens ist es dann sinnvoller, den Patienten Methoden zur Verfügung zu stellen, die ihnen helfen, das Problem zu akzeptieren und damit umzugehen.
Durch ein solches Vorgehen soll verhindert werden, dass Betroffene in einem Teufelskreis landen, in dem der Tinnitus beginnt, das Leben zu bestimmen. Falsche Hoffnungen führen zu Enttäuschungen, diese zu Stress und durch den Stress wiederum wird der Tinnitus verstärkt.
Patienten, die es nicht schaffen, mit dem Leiden einigermaßen zurechtzukommen wenden sich oft den sogenannten alternativen Heilmethoden zu. Vertreter dieser Methoden greifen oft auf Mittel wie Ginkgo oder Magnesium zurück, wie sie auch in der Medizin während der akuten Phase (bis zu drei Monate) verwendet werden. Doch häufig kommen dann auch Mittel zum Einsatz, deren Wirksamkeit stark zu bezweifeln ist. Eines dieser Mittel ist die Homöopathie.
Was ist Homöopathie?
Homöopathie bezeichnet eine von Samuel Hahnemann um das Jahr 1800 aufgestellte Methode, mit der verschiedenste Krankheiten geheilt werden sollen. Eines der Grundprinzipien, auf die sich diese Lehre stützt, ist das Ähnlichkeitsprinzip. Dieses sagt aus, dass man Ähnliches durch Ähnliches heilen könne. Um Krankheiten zu heilen sei es also nötig, einen Stoff zu finden, der genau die Symptome dieser Krankheit hervorrufen kann.
Im klassischen Ansatz werden diese Mittel gefunden, in dem Homöopathen in gesundem Zustand ein Mittel einnehmen und danach festhalten, welche Veränderungen sie am eigenen Körper gespürt haben.
Wichtig für die Homöopathie ist eine ausführliche Anamnese mit den Patienten. Der Patient wird zu allen erdenklichen Körperfunktionen, sowie zu Lebenswandel und Lebenslauf befragt. Auch dann, wenn diese Fragen auf den ersten Blick nichts mit dem Krankheitsbild zu tun haben. Dann wird versucht, nach dem Ähnlichkeitsprinzip ein Mittel zu finden, das solche Leiden auslösen und folglich auch heilen soll.
Um aus den so gefundenen Stoffen homöopathische Arzneimittel herzustellen, wird die sogenannte Potenzierung eingesetzt. Potenzierung bezeichnet einen Prozess aus Verdünnung und Verschüttelung bzw. Verreibung, mit dem die nach dem Ähnlichkeitsprinzip ausgewählten Stoffe einerseits ihre negativen Wirkungen verlieren sollen und der andererseits dazu beitragen soll, die heilende Wirkung zu verstärken. Das unverdünnte Mittel (die „Urtinktur“) kann sowohl in flüssiger wie auch in fester Form vorliegen.
Es wird üblicherweise mehrmals im Verhältnis 1:10 verdünnt (die sogenannte D-Potenz, es existiert auch das Verhältnis 1:100 = C-Potenz und 1:50.000 = LM-Potenz). Zur Verdünnung wird für Flüssigkeiten meist eine Mischung aus Alkohol und Wasser und bei Pulvern Milchzucker verwendet.
Nach jeder Verdünnung wird das Mittel entweder verschüttelt (auf eine bestimmte Art und Weise geschüttelt) oder verrieben (in einem Mörser). Dieses Verfahren kann sehr oft wiederholt werden und die Mittel werden dann je nach Verdünnung mit Bezeichnern wie C8 (acht mal im Verhältnis 1:100 verdünnt) oder D6 (sechs mal im Verhältnis 1:10 verdünnt) versehen.
Dieses Spiel der Verdünnung wird oft so lange vorgenommen, bis rein rechnerisch nichts mehr vom Wirkstoff in dem Mittel sein kann. Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit kein einziges Molekül. Homöopathen behaupten, dass das Wasser oder Pulver eine Art Gedächtnis besitzt und so eine Art Erinnerung des Stoffes vorhanden bleibt und für eine noch stärkere, da potenzierte, Wirkung sorgt.
Wie wirkt Homöopathie?
Anhänger der Homöopathie verfechten den Gedanken der Ganzheitlichkeit. Was die Medizin als Krankheit betrachtet, wird in der Homöopathie als Symptom gesehen. Verantwortlich dafür ist ein inneres Gesamtleiden der betroffenen Person. Durch die Anamnese wird versucht, etwas über dieses Gesamtleiden herauszufinden. Wenn Sie unter einem Tinnitus leiden, dann ist dies für den Homöopathen also nur Teil eines den ganzen Körper betreffenden Problems.
Zwar ist auch für den Mediziner der Tinnitus ein Symptom, aber die zugrunde liegende Krankheit muss sich dabei keineswegs auf den ganzen Körper beziehen, es kann sich auch nur um eine Erkrankung des Mittelohrs handeln.
Woher allerdings die Mittel der Homöopathie die angebliche Fähigkeit nehmen sollen, solche Gesamtleiden zu heilen, ist dabei nicht klar. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Ähnlichkeitsprinzip irgendeine Wirkung hat. Und noch weniger kennt man Gründe oder Erklärungsansätze, warum es funktionieren sollte. Natürlich, auch bei Impfungen beispielsweise wird der Erreger in kleiner Menge (und oft abgestorben) dem Organismus zugefügt, so dass das Immunsystem lernen kann, mit dem Erreger umzugehen. Dabei handelt es sich jedoch um genau den gleichen Erreger.
Am absurdesten ist das Prinzip der Potenzierung. Auch hierfür gibt es weder Nachweise noch Grundlagen. Stattdessen ist das Gegenteil schon lange belegt und Teil des Allgemeinwissens: Je weniger man von einem Stoff einnimmt, desto weniger stark ist die Wirkung – egal ob positive oder negative Wirkungen.
Arzneimittelstudien
Es gibt kaum nutzbare Studien, die die Wirksamkeit von Homöopathie nachweisen können. Ein Problem hier ist, das Studien viel Geld kosten. Pharmaunternehmen und die Wissenschaft wollen dieses Geld nicht für ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgloses Unterfangen nicht ausgeben und die homöopathischen Mittel verkaufen sich auch ohne einen wissenschaftlichen Nachweis gut genug (und da sie quasi nur aus Alkohol oder Zucker bestehen, lässt sich auch eine gute Gewinnspanne erzielen).
Und Homöopathen liefern einen weiteren Grund (bzw. eine weitere Ausrede): Die Funktionsweise von Homöopathie macht es quasi unmöglich, genügend Daten für eine Analyse zu finden.
Vereinfacht ausgedrückt läuft eine Arzneimittelstudie folgendermaßen ab: Nachdem Tierversuche und ähnliches abgeschlossen sind, kann man sich einigermaßen sicher sein, dass das Medikament keine fatalen Nebenwirkungen hat. Dann wird eine möglichst große Anzahl an Menschen gesucht, die unter der Krankheit oder dem Symptom leidet, die das Medikament bekämpfen soll. Die Hälfte dieser Erkrankten bekommt das Medikament, die andere Hälfte ein sogenanntes Placebo.
Wichtig ist dabei, dass weder der Patient noch die verabreichende Ärztin weiß, wer ein Medikament bekommt und wer nicht. So wird verhindert, dass einer davon bewusst oder unbewusst den Ausgang des Experiments beeinflusst. Eine solche Studie nennt man Doppelblindstudie. Die Nutzung eines Placebos ist wichtig um herauszufinden, ob das Medikament tatsächlich wirkt.
Placebos sind eine faszinierende Sache. Wenn eine kranke Person etwas einnimmt, das wie ein Arzneimittel aussieht, dann hilft dies in vielen Fällen, auch ohne dass wirklich ein Wirkstoff vorhanden ist. Will man Medikamente auf ihre Wirksamkeit testen, muss man also sicherstellen, dass der Effekt stärker ist als der eines Placebos. Dazu werden die doppelt verblindeten Studien durchgeführt.
Anhänger der Homöopathie (und vieler anderer alternativer Methoden) erklären nun aber, dass es nur schwer möglich ist, solche Studien durchzuführen. Die Homöopathie beruht stark auf der langen Anamnese und dem Finden des richtigen Stoffes nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Kommt ein Patient mit einem akuten Tinnitus zu einem Homöopathen, dann ist noch völlig unklar, was für ein Mittel er im Endeffekt erhalten wird. Es braucht in den meisten Fällen mehr als eine Stunde ausführlicher Befragung, um es auszuwählen. Dies im Rahmen einer wissenschaftlichen und doppelt verblindeten Studie zu machen ist ein großer Aufwand.
Homöopathen behaupten deshalb, dass sie sich lieber auf ihre persönlichen Erfahrungswerte verlassen. Es liegt nun natürlich an jedem selbst, ob man sich auf diese Erfahrungswerte lieber verlässt als auf Medikamente, deren Wirksamkeit durch Studien wie oben beschrieben bestätigt wurde. Man sollte sich aber stets vor Augen führen, dass vor allem bei gefährlichen Beschwerden der Verzicht auf richtige medizinische Behandlung schlimme Folgen haben kann. Immer wieder tauchen in den Medien Berichte von Anhängern der Homöopathie, die sich weigerten einen richtigen Arzt aufzusuchen und sich dadurch selbst unnötig in Lebensgefahr gebracht haben.
Homöopathie gegen den Tinnitus
Um einen Tinnitus homöopathisch zu behandeln, ist wie bei allen Beschwerden eine ausführliche Anamnese nötig. Das ist äußerst geschickt für Homöopathen, da so jeder Patient in die lange und kostspielige Behandlung kommen muss und nicht einfach im Internet nach möglichen Mitteln suchen kann.
Es gibt zwar vereinzelt Fälle, in denen Patienten von einer Heilung sprechen, doch die Gründe hierfür können natürlich vielfältig sein: natürlicher Krankheitsverlauf, Placebo-Effekt, andere Behandlung nebenher oder ein temporäres Nachlassen des Leidens. Da es sich immer nur um Einzelfälle handelt, ist die tatsächliche Aussagekraft davon ziemlich nichtig. Vor allem weil meistens nur die positiven Behandlungen berichtet werden und nicht die unzähligen Fehlschläge.
Doch wie bei der gesamten Homöopathie kann man auch beim Tinnitus wohl getrost davon ausgehen, dass man sich keinen sonderlich großen Gefallen damit tut, sich damit zu beschäftigen. Behandlungen und Medikamente kosten viel Geld und werden meistens nicht von den Krankenkassen bezahlt. Die Chancen auf eine Genesung durch die Homöopathie sind quasi gleich null.
Und gerade die Homöopathie birgt große Gefahr, dass man in den zu Beginn des Artikels beschriebenen Teufelskreis gerät: Man gibt beim Homöopathen viel Geld aus, durch einen Placeboeffekt glaubt man für einige Tage es würde besser, verzweifelt dann, wenn der Tinnitus zurückkehrt, geht wieder zum Homöopathen (es hat ja schließlich kurz geholfen), gibt wieder viel Geld aus und bekommt ein etwas anderes Medikament und so weiter.
Statt auf die magischen Kräfte eines Wunderheilers zu hoffen ist es also sinnvoller, sich mit einem richtigen Arzt zu beraten, Mittel zu probieren, die tatsächlich helfen können und sich möglichst früh mit Methoden zur Bewältigung zu beschäftigen.
Im besten Fall wird man den Tinnitus los und im schlechtesten Fall verschwendet man nicht unnötig Zeit und Geld und kann langsam lernen, das Leben trotz des Tinnitus zu genießen.