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Was hat es mit der Zuckerkrankheit auf sich?
Diabetes (bzw. Diabetes mellitus) ist eine Sammelbezeichnung für mehrere verschiedene Stoffwechselerkrankungen. Schon seit der Antike ist die Krankheit bekannt, insbesondere wegen ihres auffälligsten Symptoms, dem erhöhten Zuckergehalt im Urin. Letztendlich ist das aber auf eine erhöhte Zuckermenge im Blut zurückzuführen. Umgangssprachlich sagt man daher auch oft, dass eine Person „zuckerkrank ist“ oder „Zucker hat“.
Man geht in Deutschland davon aus, dass fast jeder Zehnte von Diabetes betroffen ist. Besonders ältere Menschen leiden häufig unter Diabetes. Man geht davon aus, dass ungefähr 20% der über 65-jährigen daran erkrankt sind.
Die zwei häufigsten Arten von Diabetes werden als Typ 1 und Typ 2 bezeichnet. Dabei macht Typ 2 circa 90% der festgestellten Fälle aus. Neben diesen zwei Typen spielt vor allem noch die sogenannte Schwangerschaftsdiabetes eine größere Rolle. Diese Erkrankung tritt während der Schwangerschaft auf und verschwindet meistens nach der Geburt wieder. Alle Diabetestypen zeichnen sich durch einen Mangel an Insulin aus, einem wichtigen Stoffwechselhormon.
Bevor man verstehen kann, worin sich die verschiedenen Typen unterscheiden, muss man erst verstehen, welche Rolle Zucker im menschlichen Stoffwechsel spielt.
Der menschliche Zuckerstoffwechsel
Wenn man beim Stoffwechsel von Zucker spricht, ist damit immer Glucose (Traubenzucker) gemeint. Alle anderen Zuckerarten (zum Beispiel Rohrzucker oder Milchzucker), aber auch die übrigen Kohlenhydrate werden im Verlauf des Stoffwechsels zu Glucose umgewandelt.
Der Zuckerstoffwechsel ist essentiell für die Energiegewinnung des menschlichen Körpers. Insbesondere die Zellen in Leber, Niere, Gehirn und Muskeln wandeln Glucose in Energie um. Für andere Zellen dient Fett anstelle von Zucker als Energielieferant. Vor allem für das Gehirn ist die Glucose von größter Wichtigkeit: Sie ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und so dem Gehirn Energie zuzuführen.
Nach der Nahrungsaufnahme werden bei der Verdauung verschiedene Kohlenhydrate in Zucker umgewandelt. Das führt zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels.
Der Blutzuckerspiegel wird von zwei Hormonen reguliert, nämlich Insulin und Glucagon. Das Hormon Insulin wird ausgeschüttet, wenn der Blutzuckerspiegel hoch ist. Es wirkt dabei folgendermaßen:
Es aktiviert bestimmte Proteine in den Zellmembranen, die dann durchlässig für die Glucose werden. Zellmembranen schützen die Zellen, sodass nicht jeder beliebige Stoff in die Zelle gelangen kann. Damit aber die Stoffe, die wichtig und benötigt sind, ihren Weg in die Zelle finden, ist die Zellmembran von Proteinen durchsetzt, die wie Türen funktionieren: Sie beinhalten eine Struktur, in die nur ein bestimmter Stoff passt.
Man nennt es daher auch Schlüssel-Schloss-Prinzip. Erst, wenn der Schlüssel im Schloss ist, öffnet sich die Tür und der Stoff kann in die Zelle gelangen. In die meisten Zellen kann Glucose nicht von alleine kommen, sondern benötigt Insulin als Schlüssel, um die Türen zur Zelle zu öffnen. Diese Zellen nennt man insulinabhängig. Nervenzellen und rote Blutkörperchen sind dagegen nicht von Insulin abhängig, die Glucose kann bei ihnen auch ohne Hilfe in die Zellen gelangen.
Außerdem fördert Insulin die Speicherung von Glucose. Dabei werden die Glucose-Moleküle zu langen Ketten aneinandergehängt und in Leber, Nieren und Muskeln gespeichert. Diese Ketten heißen Glykogene.
Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet, in speziellen Zellen: den β-Zellen (ausgesprochen: Betazellen). Die Bauchspeicheldrüse schüttet so lange (in Abständen von wenigen Minuten) Insulin aus, bis der Blutzuckerspiegel wieder auf Normalniveau ist.
Das andere Hormon, das an der Regulation des Blutzuckers beteiligt ist, ist Glucagon. Auch Glucagon wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet. Die Zellen, die dafür zuständig sind, heißen α-Inselzellen. Glucagon wird immer dann ausgeschüttet, wenn der Blutzuckerspiegel niedrig ist. Es bewirkt den Abbau des in Leber, Nieren und Muskeln gespeicherten Glykogens zu Glucose. Während die Muskeln die Glucose für ihre eigene Aktivität nutzen, können Leber und Nieren die Glucose ins Blut abgeben und somit auch anderen Organen zur Verfügung stellen.
Adrenalin, das Hormon das bei Stress und Aufregung ausgeschüttet wird, unterstützt Glucagon bei diesem Vorgang.
Aufgaben von Insulin
Um die Auswirkungen des Insulinmangels bei Diabetes zu verstehen, führt man sich am besten die verschiedenen Aufgaben von Insulin vor Augen. Zwei Aufgaben wurden schon im vorigen Abschnitt genannt:
- Es ermöglicht den Transport von Glucose in die insulinabhängigen Zellen (also alle Zellen bis auf Nervenzellen und rote Blutkörperchen).
- Es initiiert, dass überschüssige Glucose zu Glykogen umgebaut und in dieser Form abgespeichert wird.
Insulin spielt jedoch auch bei anderen Prozessen im Körper eine wichtige Rolle:
- Es hemmt den Abbau von Körperfett.
- Es regt das Zellwachstum an.
Typ-1-Diabetes
Bei einem Diabetes des Typ 1 zerstört der Körper die eigenen Betazellen. Warum es dazu kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Sowohl genetische Faktoren als auch Umwelteinflüsse spielen vermutlich eine Rolle. Eine solche Erkrankung, bei der der Körper sich selbst attackiert, nennt man Autoimmunerkrankung. Meistens tritt diese Form von Diabetes im Kindes- oder Jugendalter auf.
Die Krankheit macht sich bemerkbar, wenn ein Großteil der Betazellen zerstört ist. Der Körper kann dann nämlich kein Insulin mehr herstellen. Der Insulinmangel hat verschiedene Konsequenzen:
Die insulinabhängigen Zellen können keine Glucose mehr aufnehmen. Daher sammelt sich die Glucose im Blut an und der Blutzuckerspiegel ist erhöht.
Wenn Insulin als Gegenspieler fehlt, dann baut Glucagon ungebremst das Glykogen, das in Leber, Nieren und Muskeln gespeichert ist, zu Glucose ab. Das bewirkt eine weitere Erhöhung des Blutzuckerspiegels.
Ohne Insulin wird das Körperfett ungehemmt abgebaut. Das führt zum einen zu einem Gewichtsverlust und zum anderen dazu, dass Fettsäuren ins Blut gelangen. Das kann schließlich zu einer gefährlichen Übersäuerung des Blutes (eine Azidose) führen.
Ein weiterer wichtiger Prozess findet in den Nieren statt. Eine Aufgabe der Nieren ist es, das Blut zu filtern. Giftstoffe werden mit dem Harn ausgeschieden. Glucose ist nun kein Giftstoff und wird daher normalerweise nach dem Filtervorgang wieder ins Blut überführt. Wenn der Blutzuckerspiegel einen bestimmten Wert überschreitet, schafft die Niere es nicht mehr, die Glucose vollständig ins Blut abzugeben. Sie wird dann in den Harn abgegeben. Die Konsequenzen davon sind leider weit dramatischer als gesüßter Urin:
Die Glucose in den Nieren entzieht dem Körper Wasser. Dadurch kommt es zu vermehrtem Urinieren und einer Austrocknung des Körpers. Das wiederum führt zu verstärktem Durst, sodass unbehandelte Diabetiker oft massive Flüssigkeitsmengen zu sich nehmen.
Diese Symptome zusammengenommen können im schlimmsten Fall zu einem diabetischen Koma führen. Außerdem kann es zu zahlreichen schweren Begleiterkrankungen kommen, die unten weiter ausgeführt werden.
Die Behandlung erfolgt durch die Gabe von künstlichen Insulinpräparaten. Diabetes des Typ 1 kann nicht geheilt werden.
Typ-2-Diabetes
Bei dieser Form von Diabetes kann der Körper zwar Insulin produzieren, aber die insulinabhängigen Zellen weisen eine Insulinsresistenz auf. Die Proteine der Zellmembran, die als Tür für die Glucose fungieren, haben eine leicht veränderte Struktur, sodass der Schlüssel (Insulin) nicht mehr richtig ins Schloss (die Proteine) passt.
Zu Beginn kann der Körper das Problem noch ausgleichen, indem die Insulinproduktion gesteigert wird. Das kann die Bauchspeicheldrüse aber nicht dauerhaft aufrecht erhalten und so manifestiert sich mit der Zeit der Diabetes – deutlich langsamer als beim Typ 1.
Obwohl also bei Typ-2-Diabetikern ein hoher Insulinspiegel vorliegt, spricht man dennoch von einem relativen Insulinmangel: Es wäre mehr Insulin notwendig, um die Insulinresistenz der Zellen auszugleichen.
Die Hauptursache für diese Form von Diabetes ist Übergewicht, zusammen mit Bewegungsmangel. Etwa 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker sind beim Stellen der Diagnose übergewichtig. Genetische Faktoren können eine Erkrankung ebenfalls wahrscheinlicher machen.
Es sind noch nicht alle Zusammenhänge zwischen Übergewicht und Insulinresistenz klar, aber vermutlich laufen die folgenden Prozesse im Körper ab: Bei steigendem Übergewicht verändern die Fettzellen ihre Funktion. Sie setzen unter anderem Stoffe frei, die bei den anderen Zellen die Insulinresistenz bewirken können. Das Schlimme daran ist, das die vermehrte Insulinproduktion (mit der der Körper versucht, die Insulinresistenz auszugleichen) zu einer verstärkten Fetteinlagerung führt. Das Übergewicht nimmt zu – ein Teufelskreislauf.
Die Symptome dieser Diabetes-Form sind zunächst gering: Müdigkeit, Neigung zu Infekten, Schwächegefühle und Sehstörungen. Im weiteren Verlauf kommt es aber, wenn keine Behandlung erfolgt, zu immer schwereren Folgen.
Typ-2-Diabetes ist glücklicherweise heilbar. Der wichtigste Teil der Therapie besteht in einer dauerhaften Umstellung des Lebensstils, sodass mittels einer gesünderen Ernährung und mehr Bewegung eine Gewichtsabnahme erzielt wird.
Folgen von Diabetes
Beide Diabetes-Typen können schwere Folgen haben, wenn eine Behandlung schlecht, inkonsequent oder gar nicht erfolgt.
An den Wänden der Blutgefäße lagern sich Zuckermoleküle ab. Auch die Zusammensetzung des Bluts ist verändert, es ist ‚klebriger‘ und gerinnt leichter. Langfristig führt das zu Gefäßschäden. Die Folgen sind Bluthochdruck, schlechte Durchblutung und Herzinfarkte. Auch die kleinen Kapillare (winzige Adern) sind betroffen. Durchblutungsstörungen in der Netzhaut können zu Sehproblemen bis hin zur Blindheit führen. Auch die Niere besitzt viele Kapillare, daher kann es zu Nierenfunktionsstörungen oder sogar zum Nierenversagen kommen.
Auch zu Nervenschäden kann es kommen, zum einen, wenn die geschädigten Kapillare die Nerven nicht mehr mit genügend Sauerstoff versorgen können.
In Folge von Gefäß- und Nervenschädigungen in den Füßen und Beinen kommt es bei Diabetikern häufig zu schweren Nekrosen (das Gewebe stirbt ab) in diesem Bereich, sodass schlimmstenfalls amputiert werden muss.
Fazit
Die konsequente und frühzeitige Behandlung von beiden Diabetes-Typen ist lebensnotwendig und verhindert die schweren Spätfolgen, die ansonsten mit der Erkrankung einhergehen.